Ob morgens um sechs oder nachmittags um drei. Es überrascht, wenn Uniformierte plötzlich vor der Haustür stehen und ohne Durchsuchungsbeschluss erklären, dass sie jetzt kontrollieren werden.
Von Meinrad Müller
Sie öffnen die Deckel der drei Mülleimer, greifen mit Plastikhandschuhen in den Abfall und prüfen jeden Rest, als hinge das Wohl der Republik an den Mülltonnen. Sie fragen sogar nach dem Chiquita-Aufkleber, ob er noch an der Banane klebte oder vorher abgezogen wurde. In diesem Moment fühlt man sich wie früher an der DDR-Grenze, wenn der Kofferraum falsch befüllt war und man nicht wusste, ob man jetzt weiterfahren darf oder nicht.
Werden wir wieder ein Land der zusehends Kontrollierten?
Und das falsch befüllte Stadtbild?
Während diese Kontrolleure mit Eifer jede Tonne untersuchen, wird das Stadtbild nicht beachtet. Früher spazierte man abends durch dunkle Gassen, ohne sich umzudrehen. Man ging essen, man saß im Weinlokal und redete, ohne Angst vor dem Nachhauseweg. Heute aber tragen manche metallene und scharfe Dinge in den Jackentaschen herum, die eindeutig in die Restmülltonne gehören. Aber niemand kontrolliert das, kein Inspektor traut sich. Man fühlt es auf der Straße. Der Müllmann prüft die Bananenschalen. Der Staat prüft die Bürger. Und die wirklichen Gefahren laufen frei herum.
Der Müll in unserem Kopf
Morgens beim Frühstück schalten viele von uns das Radio ein und wollen nur wissen, wie das Wetter wird oder ob die Bahn fährt. Und was passiert? Die Inspektoren in den Redaktionen haben über Nacht den ganzen geistigen Abfall zusammengekehrt, der uns nun aufs Frühstücksbrot geschmiert wird. Genau in dem Moment, in dem wir noch halb schlaftrunken dasitzen. Die Worte rutschen in den Kopf, bevor man überhaupt den ersten Kaffee getrunken hat. Und dieser Müll wirkt stundenlang nach. Hier wären Inspektoren nötig. Nicht für die Biotonne, sondern für die Nachrichten, die uns jeden Morgen ungefragt untergeschoben werden.
Bußgelder bis 2.500 Euro
Sobald aber der Fremdstoffanteil in einer Biotonne drei Prozent erreicht, gilt sie als falsch befüllt. Die Tonne bleibt stehen. Der Besitzer bekommt Post. Für solche Fehlbefüllungen können Bußgelder bis zu zweitausendfünfhundert Euro anfallen. Ob es ein Versehen war oder ob man nur einen kleinen Aufkleber übersehen hat, interessiert niemanden. Es zählt nur die Quote. Und die wird durchgezogen, als ginge es um ein Staatsgeheimnis. Viele schütteln darüber den Kopf, weil sie draußen genau sehen, was wirklich los ist.
Der Finanzinspekteur im Bankcomputer
Zur selben Zeit arbeiten in jeder Bank stille Beobachter. Niemand sieht sie, doch jeder spürt sie. Eine etwas größere Überweisung, ein ungewöhnlicher Betrag, ein Geldfluss, der nicht in den Alltag passt? Schon steht man plötzlich als Verdächtiger da. Keiner sagt ihm warum. Keiner sagt ihm wieso. Aber er steht auf der Liste der Finanzinspektoren.
Postgeheimnis ade
Die EU arbeitet daran, die Chat-Kontrolle durch die Hintertür einzuführen. Bilder. Sprachnachrichten. Texte. Alles soll bald inspiziert werden. In jedem Satz steckt auf einmal ein Verdacht. Selbst harmlose Worte wie „Du kannst mich mal“ könnten eine Morddrohung sein. Manche löschen Nachrichten, bevor sie sie abschicken. Andere ändern sie dreimal. Und viele sprechen vorsichtiger, weil dieses Gefühl im Raum hängt, dass ein Kontrolleur mitliest, der dort nichts verloren hat.
Der große Widerspruch
In Berlin hängen sogar über 27.000 orangefarbene Mülleimer an Laternen. In diese Eimer darf alles hinein. Apfelbutzen, Zigarettenstummel, Plastikbecher, Hamburgerpapier, Kaugummis, Hundekotbeutel, Dosen, Batterien, alles. Die Stadtreinigung leert sie auf die Ladefläche eines Kleinlasters. Niemand weiß, wer was hineingesteckt hat. Noch fängt keine Überwachungskamera es ein. Wird dieser Mischabfall getrennt? Wohl kaum.
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